Als mein Mann im Sommer 2019 zu mir sagte: „es könnte sein, dass ich für das Projekt nach Amerika muss“, da wusste ich, dass dies eine Reise wird, die wir gemeinsam, das heißt zu dritt, antreten werden.
Im Dezember 2019 ging dann alles extrem schnell. Plötzlich hatten wir alle Unterlagen für unsere Visa-Anträge und wir reisten am 01.01.20 nach Berlin. Nachdem wir unseren Termin im Konsulat hinter uns gebracht hatten, stand der großen Flugreise nichts mehr im Wege.






Nur unsere Koffer hatten wir noch nicht gepackt, dabei sollte es ein paar Tage später schon los gehen.
Wir sind mit unserem 1 1/2 jährigen Sohn übrigens problemlos die gut 600km nach Berlin hin und zurück gefahren. Er fährt sehr gerne Auto und wir haben günstige Zeiten abgepasst, sodass er die meiste Zeit der Fahrt verschlafen hat. Auch Berlin war für das kleine Würmchen keine große Sache mehr. Nachdem wir im Herbst erst 4 Hotels in zwei Städten in ca. 1,5 Wochen „getestet“ hatten, war der Besuch im Sheraton Grand Hotel Berlin und das Schlafen in der schönen Suit mit Panoramafenster kein Problem mehr.
Zuhause angekommen hieß es: Packen!
Packen für drei Personen, nur das nötigste und vor allem WARME Kleidung. Für uns ging es nämlich nach Ohio, in die Nähe von Cleveland.
Sechs Koffer mit Kleidung, Skikleidung, Schuhe, Spielsachen und Arbeitsmaterialien. Handgepäck, das heißt Aktentasche, Handtasche, Rucksäcke, Kindersitz und Kinderwagen. All das luden wir in einen Family Van, den wir uns geliehen hatten und am Flughafen Frankfurt zurück geben konnten.
Auch das Flughafenhotel in Frankfurt ist wärmsten zu empfehlen. Tolles Frühstück, schöne Zimmer und für Reward Members auch eine tolle Lounge mit leckerem Snack zum Abendbrot.



Am Flughafen wurde es zunächst sehr stressig, da man in Frankfurt mit Gepäckwagen KEINE SKYTRAIN nutzen darf. Was für eine Katastrophe! All unser Gepäck in den paar Sekunden, die die Train hält, ein- und auszuladen, dabei nichts zu vergessen und auf das Kind aufzupassen, war eine echte Herausforderung. Merke: am Ausstieg im neuen Terminal stehen KEINE NEUEN GEPÄCKWAGEN zur Verfügung. Wer denkt sich denn so etwas aus???? Fragt mich nicht wie, aber wir haben es ins Flugzeug geschafft. Knapp! Sehr knapp! Der Zwerg und ich saßen pünktlich zum Abflugzeitpunkt im Flugzeug, ABER ohne meinen Mann! Der musste nämlich noch zum Drogenabstrich – Zufallsauswahl – wenn man Glück hat, hat man Glück 😉
Das Flugzeug ist mit uns dreien an Board abgehoben und wieder gelandet, Einreise, Leihwagen abholen und der Weg zum Hotel haben gut geklappt.
Wir haben im Residence Inn Cleveland Beachwood gewohnt. Geschockt von so viel Plastik, Synthetik und allgegenwärtiger Umweltverschmutzung, brauchte ich einige Zeit, um dort anzukommen.

Auf den dortigen Lebensstil möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter eingehen. Für mich war es immer wieder eine große Herausforderung, mich den neuen Dimensionen, den Gewohn- und Gegebenheiten anzupassen. Das mag aber jeder anders empfinden.
Im Laufe der Zeit wurde ich immer mutiger. Anfangs verschüchtert durch XXXXXXXL Geländewagen, anderen Ampelsystemen und der völlig fremden Umgebung, erschloss ich mir mit meinem Sohn nach und nach die Umgebung. Die nahegelegenen Indoor Spielplätze kamen uns bei den eisigen Temperaturen sehr gelegen. Und auch die Holzeisenbahn, mit der Kinder in einem Buchladen jederzeit spielen durften, gehörte mehrmals wöchentlich zu unserem Tagesprogramm.


Ich traute mich sogar zu einem Kinderturnen und wir machten Ausflüge bis nach Cleveland. Ein Museumsbesuch, das Aquarium von Cleveland und die ein oder andere Shopping Mall, füllten unseren Alltag, während mein Mann viele Stunden täglich arbeiten war.
Die zwei wichtigsten Programmpunkte unserer Woche waren das Einkaufen und kochen im Hotelzimmer, sowie Spaziergänge im nahegelegenen Nationalpark.
Anfangs nervte es mich immer überall hinfahren zu müssen. Für alles brauchten wir ein Auto, dabei waren die Wege gar nicht besonders lang. Nur leider war die Infrastruktur für Fußgänger quasi nicht existent. Dazu hatten wir meistens strenge Minusgrade und wöchentlichen Schneefall.
Besonders spektakulär gestalteten wir uns die Wochenenden.
Ein verlängertes Wochenende verbrachten wir in New York, ein anderes fuhren für ca. 300km oneway für ein Eishockeyspiel. Wir besichtigten eine Tropfsteinhöhle, die Niagarafälle und gingen zwei-drei Mal zum Basketball.
Auch die Ausflüge in nahegelegene Orte waren spannend und meistens bitterkalt.















Unsere Reise endete früher als geplant und sehr abrupt. Danke Covid19. Dich gab es zu unserer Zeit in Amerika angeblich noch kaum, aber wir wurden eines besseren belehrt. Trotz angeblich nur 3 positiven Fällen in ganz Ohio, erkrankte mein Mann plötzlich schwer. So krank habe ich ihn noch nie gesehen. Wir fuhren ins Krankenhaus, berichteten, dass er in einem internationalen Unternehmen arbeitet, natürlich mit international gereisten Kollegen engen Kontakt hatte. Die Sorge des Klinikpersonals vor Corona war so groß, dass wir zunächst fast zwei Stunden im Auto warten mussten, ehe mein Mann durch einen Seiteneingang hinein durfte. Er wurde auf Grippe getestet. Dieser Test war positiv und somit schlossen die Ärzte eine Covid19 Erkrankung aus. Die Logik erschloss sich uns nicht, aber es gab ja nun auch im Prinzip keine Fälle in Ohio. Jedenfalls offiziell.
Mit Medikamenten ausgestattet wurde er abends wieder entlassen und er wurde im Laufe der Woche immer fitter. Leider erkrankte zeitgleich auch noch unser kleiner Sohn. Mit zwei kranken Männern endete unsere letzte Woche in Amerika, denn dies war auch die Woche, in der Herr Trump die Grenzen für Reisende aus Europa schloss. Zum Glück ging es meinem Mann am Freitag wieder so gut, dass wir gemeinsam entschieden sofort zurück zu fliegen. Die Flüge wurden also umgebucht, Koffer sofort gepackt und drei Stunden später saßen wir abflugbereit auf all unserem Gepäck. Am nächsten Morgen ging es dann mit dem Auto zum Flughafen und ab nach Hause. Dem Zwerg ging es zwar deutlich besser, aber fit war er noch lange nicht. So hat er aber die meiste Zeit der Reise geschlafen und konnte sich zuhause richtig auskurieren.
Am Montag erledigte ich erst einmal unseren Wocheneinkauf. Mir war es so unangenehm den Wagen so voll zu stopfen, weil ich nicht den Eindruck erwecken wollte, Hamsterkäufe zu tätigen. Aber nach fast dreimonatiger Abwesenheit, muss man doch den ein oder anderen Vorrat wieder auffüllen. Mensch, was war hier los in Deutschland. Damals konnten wir die Panik, die Angst und Stimmung, die hier herrschte überhaupt nicht nachvollziehen. Mein Einkauf: ein Erlebnis der Sonderklasse. Als ich nach Hause kam, legte mein Mann gerade das Telefon zur Seite, schaute mich an und ich wusste, dass etwas nicht stimmte. Das Office in Amerika, in dem er all die Wochen zuvor gearbeitet hat, war dicht. Quarantäne! Mindestens ein positiver Fall auf Seiten des Kunden, alle Mitarbeiter sollen sich testen lassen. Im März 20, man erinnere sich, war das mit dem testen lassen und dem Besuch in Arztpraxen noch gar nicht so einfach. Wir haben es dennoch geschafft und siehe da: mein Mann war positiv. Hatte er Grippe und Corona gleichzeitig? Woran hat sich unser Zwerg angesteckt? Wir wissen es nicht.
Jedenfalls war das ein Ende unserer Reise, welches wir uns niemals ausgemalt hätten. Abrupt, etwas traurig, krank, aber dennoch ein gutes Ende.
Zwischenzeitlich viel mir die Zeit in Amerika sehr schwer. Ich vermisste meine Familie, mein soziales Umfeld. Ich vermisste einfach aus der Tür zu gehen und mal eben beim Bäcker leckere Brötchen zu kaufen und dies mit einem kleinen Spaziergang zu verbinden. Ich vermisste irgendwann die Frühjahrsboten, denn bei uns war alles unter einer dicken Schneedecke verborgen. Mich nervte das verdammte Plastik, dass man einfach nicht vermeiden konnte. Ich konnte Toastbrot und Erdbeeren im Winter nach kurzer Zeit nicht mehr sehen und wollte mal wieder vernünftig und gesund essen können.
Aber insgesamt schauen wir auf eine einzigartige und ganz grandiose Zeit zurück. Was musste ich mich häufig überwinden. Ich musste so häufig lernen Dinge anzunehmen, neues ausprobieren. Auf fremde Menschen zugehen, um Hilfe und Rat zu fragen. Wir erlebten tolle und unvergessliche Tage als Familie und ich lernte meinen eigenen Radius nach und nach ganz eigenständig zu erweitern. Ich übernahm unheimlich viel Verantwortung für mein Kind, für mich und sorgte für meinen Mann, der beruflich sehr ausgelastet und am Ende auch noch krank war.
Wir sahen Städte und Landschaften, wie man sie in Europa nicht findet. Und wir wuchsen als Familie zusammen. Noch enger, noch liebender, wir waren noch mehr für einander da, als bisher sowieso schon. Mein Mann und ich waren der sichere Hafen für unseren kleinen Sohn und gleichzeitig zeigten wir ihm so viel von der großen weiten Welt.
Nach Ohio muss ich nicht noch einmal, aber sollte sich uns jemals wieder die Möglichkeit einer Reise, einer Veränderung bieten, wir werden sie antreten. Zusammen als Familie und gleichzeitig jeder für sich.